Damit Menschen mit einer Lernschwäche oder einer geistigen Einschränkung ohne Umwege beruflich durchstarten können, gibt es bei der Behindertenhilfe Wetteraukreis (bhw) die zentrale inklusive Berufsorientierung (ziB). Das Angebot ist für alle gedacht, die auf dem ersten Arbeitsmarkt Fuß fassen wollen.
Viele Wege zum Ziel
Sarah Gutmann hat Spaß daran, sich um Pflanzen zu kümmern. So war schnell klar, dass sie auch ihren Berufsweg in dieser Richtung einschlagen wollte. Aber Sarah brauchte dabei mehr Unterstützung als andere Schulabgänger. Denn Sarah ist geistig behindert. Viele Menschen mit einer geistigen Behinderung gehen nach der Schule erst einmal in eine sogenannte Werkstatt für Menschen mit Behinderung. Die bhw betreibt im Wetteraukreis vier davon. Dort können die Mitarbeiter verschiedene Arbeitsbereiche kennenlernen, zum Beispiel das Arbeiten mit Holz in der Schreinerei, das Arbeiten mit Metall oder Verpackungs- und Konfektionierungsarbeiten. Die Arbeitsangebote sind sehr vielfältig, sodass jeder eine Arbeit finden kann, die ihm liegt. Die Werkstätten bieten den Mitarbeitern einen geschützten Raum, in dem sie optimal unterstützt und in ihrer Entwicklung gefördert werden können. Die bhw macht sich gleichzeitig aber auch für Inklusion stark: Die Klienten, die das wollen und können, sollen auf dem ersten Arbeitsmarkt, außerhalb der Werkstätten arbeiten. Die bhw unterstützt die Klienten dabei, eine geeignete Stelle zu finden, Praktika zu machen und im Arbeitsalltag zurecht zu kommen. Die Wege auf den ersten Arbeitsmarkt sind dabei unterschiedlich: Einer führt über den Berufsbildungsbereich und die Werkstätten und einer ist ohne Umweg ganz direkt: ziB. Diesen Weg beschreitet Sarah Gutmann gerade.
Selbstständig sein
Sarah arbeitet im Gartencenter des Toom Baumarktes in Friedberg. Die Arbeitsstelle hat sie durch die ziB der bhw selbst gefunden. Mit Anleitung durch ihren Bildungsbegleiter hat sie zuerst im Internet nach Berufen gesucht, die zu ihrem Wunsch passen: Gartengestaltung, Floristen, Gartencenter… Danach hat sie eine sogenannte Sozialraumkarte erstellt und ausgehend von ihrem Wohnort in Bad Nauheim nach Arbeitsangeboten gesucht, die sie mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut erreichen kann. Schließlich hat sie ihre Bewerbungsunterlagen zusammengestellt und ein Bewerbungstraining gemacht. Dabei hat sie gelernt, wie sie ein Bewerbungsgespräch abläuft, wie sie sich verhalten kann und welche Fragen sie dort beantworten muss. Ihre Bewerbung im Gartencenter war erfolgreich. Seit einem dreiviertel Jahr ist sie nun Teil des Teams.
Heute ist eine Lieferung mit frischen Pflanzen gekommen. Sarah holt die großen Wagen rein und sortiert die Pflanzen nach der Vorgabe ihrer Chefin auf die Verkaufstische. Es ist wichtig, dass die Tische ansprechend aussehen. Sarah gießt die Pflanzen mit dem Gießstab und putzt sie aus: welke Blätter und Blüten werden entfernt. Auch die Regale einzuräumen und Preise auszuzeichnen gehört zu ihren Aufgaben. Im Team kommt Sarah gut zurecht. Sie wird behandelt, wie alle anderen Kollegen auch. Jenny Mott, die Leiterin des Gartencenters, unterstützt Sarah. „Sie macht ihre Arbeit sehr sorgfältig und zuverlässig und ist fleißig. Sie fragt viel nach und will alles richtig machen“, lobt Jenny Mott. Sie teilt die Aufgaben für Sarah ein und achtet dabei darauf, die junge Frau nicht zu überfordern. Und Sarah ist stolz, wenn sie etwas erreicht, etwas Neues gelernt und eine Herausforderung gemeistert hat.
Begleitung durch die bhw
Sowohl Sarah als auch der Arbeitgeber werden auf diesem Weg von der bhw nicht allein gelassen. Die Bildungsbegleiter der bhw sind regelmäßig vor Ort, um die Fortschritte der Mitarbeiter zu sehen und offene Fragen mit den Arbeitgebern zu klären. Jenny Mott schätzt es, dass sie in dem Bildungsbegleiter der bhw einen ständigen Ansprechpartner hat, mit dem sie die Entwicklung ihrer Mitarbeiterin abstimmen kann.
Einmal in der Woche geht Sarah nicht zur Arbeit, sondern zur ziB in Friedberg. Dort lernt sie zusammen mit den anderen ziB-Teilnehmern Berufskunde, übt soziale Kompetenzen und Verhaltensregeln. Sie bespricht mit ihrem Bildungsbegleiter, was an der Arbeit gut läuft und welche Dinge sie gern verändern würde. Sie erfährt, wie sie Probleme ansprechen und Schwierigkeiten bewältigen kann. Sie lernt, immer selbstständiger zu werden und in ihrem Arbeitsumfeld so gut zurecht zu kommen, dass sie in ein festes, sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis übernommen wird. Denn das ist das Ziel: beruflich durchstarten und ankommen.